Das III. Buch

Im Gang zu den höhergestellten Invaliden, den ich betrete, liegen Bücher aus auf kleinen Tischen. Einmal nahm ich eines mit auf mein Zimmer, als niemand mich sehen konnte. Es war ganz das falsche Buch, merkte ich später. Aber ich hatte mich aus einem mir bis jetzt unbekannten Grund dafür entschieden und versuche, herauszufinden, warum es mir so schwerfiel, es zu lesen. Es war vielleicht ein Sachbuch gewesen oder eine kleine Geschichte der Musik im 20. Jh.., jedenfalls kam darin vor ein Bericht über eine unbekannt gebliebene Komponistin Ewa Laplace, die nur deshalb namens erwähnt wurde, weil sie bei dem Versuch, die 10. von Mahlers Sinfonien aus den erhaltenen Versatzstücken zu rekonstruieren auf etwas gestoßen ist, das der Autor scheinbar für wichtig gehalten hatte, uns mitzuteilen. Es handelte sich dabei um eine Bekenntnisschrift in Notenform, die angab, warum Mahler selbst sich nicht mehr dazu in der Lage sah, seine von ihm als erstes Echo seines lebendigen L.n.ms vernommenene Musik zu vollenden: es hieß, er hätte die ihm verbleibende Zeit vom Bewußtseines nahenden Endes einzig damit verbringen müssen, alles Vorhergegangene zu vernichten, wenn er die Gestaltung dieser symphonie absolut ausführen wollte. Darum: es war ganz das falsche Buch. Man konnte nicht darin gelesen haben, ohne hernach zu bezweifeln, daß es zu lesen in gewohnter Weise, nämlich der Erfassung von Zusammenhängen durch die Rekombination von Wörtern im eigenen Geist, die der Autor in seinem Geist zusammengefügt hatte, die richtige sein soll, den Sinn des Buches aufzudecken, das man in der Hand hielt. Vielmehr schlug er mit seinem Verweis auf die Laplacesche Idee von der einzigen Möglichkeit einer Renaissance von Urmaterial durch die Vernichtung allen Zuwachses und der resultanten Vermeidung künftiger Forschung ein Kapitel der Restauration auf, das sich nicht darauf beschränken würde, “nichts mehr dazu[zu]tun und in den Anfängen [zu] verharren”, sondern das den Golem, den es meint, nicht mehr untersuchen zu müssen, ständig zu schaffen verdammt ist. Das Mädchen Laplace selbst, das Mahler n. kannte, verhielt sich zum Gegenstand ihrer Arbeit so konsequent, daß sie die einzige Quelle, auf die man sich heute berufen könnte, wenn man weiterarbeiten wollte  ihre Interpretation der Auslassung  in ihren Tod mitnahm, auf hoher See. In den Archiven des Aaltomuseums in Jyvväskyla findet man sie in sechs Karteikarten einer ausleihenden Position: Sie schrieb nieder, was sie hörte, sie behielt, was sie wußte und gab nur weiter, was wahr war.

Ihnen ist Realität gegeben worden in einer n. nicht beendeten Vergangenheit. Und selbst man müßte dafür erst eure Zeitform anpassen (was ihr ja innen tut) bleibt schal ein Rest Unglauben stehen der sich nicht mehr aufheben läßt; das, weil der gemeinsame Nenner tatsächlich existiert, auch ohne die Observanz. Ich bin mir aber sicher das Leben lang beobachtet worden zu sein bis ich mir selbst meine Tarnflügel abgerissen habe an einem Punkt wo wir aufeinandertreffen sollten,- der n. nicht stattfand den ich aber dorthin zu wissen trachte wo ihn seine Wahrscheinlichkeit mir verordnet. Nennt ihn, fragt nur nach dem Namen und er wird euch aufblenden wie etwas verwandtes nach dem man gräbt und gräbt aber nichts findet scheinbar bis man merkt der ganze Aushub ist soviel wert heutzutage wie alles angeblich unter ihm begrabene. Kenntnisse der Bergungstätigkeit lassen sich legal erwerben, erst ihre Anwendung braucht ein Zeugn. wenn jemand danach fragt. Mich hat man n. nicht also ist mein Wort mein Wort und nur das. Wenn Anhängiges geprüft würde käme man vielleicht dem Dilettanten auf die Spur der wirklich mehr verbirgt als er euch zugibt und immer den Anschein erwecken will des Geläuterten, des Furchtsamen und keuschen, gehorsamen armen Knechtes (Seiner Majestät des Schmerzes, wessendenn sonst.) Und doch kehren wir an dieser Stelle um, weil er etwas in Finalsätzen hinterließ das keine Weiterschrift erlaubt. Umkehren vor den Gedanken anderer war nie unsere Stärke gewesen, heben wir aber darum etwas auf der Unvollständigkeit halber in der wir uns n. befinden? und weiter befinden werden auch wenn wir seinen Schlußsätzen doch glauben… Also neue Anfänge: ein evolutionärer Lernimpuls an dem die Menschheit geendet haben könnte, wenn einer es so gewollt hätte. Und hiermit ist sie dann schließlich eingeführt ins vierte Buch: die unabänderliche 3. Person.

Kriegen Sie jetzt eine Gänsehaut? Das wird richtig sein denn ich werde etwas über sie verraten, die Dritte Person. Es war mir nicht immer bewußt, daß sie mitschwang in jedem Satz der zwischen uns also Ihnen und mir hin und herpendelte, es ist mir jedoch jetzt klar wie wir uns auf sie einigten: man hatte in unserer gemeinsam menschlichen Vergangenheit etwas zurechtgerückt und dann ist sie uns plötzlich erschienen. Zu Beginn vielleicht nur so wie man sich Schwere vorstellen mag die man nicht berühren kann, nur messen eben. Aber eine Vorstellung von ihr hatte sieselbst jetzt Möglichkeit werden lassen, fürderhin Potenz und da waren wir schon in der Sprache der Physik angelangt,- was n. zu tun war: sie auszuschöpfen in unserem Dilettantismus. Ich ging also weider ins Archiv, wo man mich länger als ein Jahr nicht mehr gesehn hatte. Mein Ausweis sei abgelaufen sagten sie mir und ich bräuchte ein neues Visum, aber erst einen neuen Ausweis natürlich. Die Akten wären zwar einzusehen ich dürfte aber ohne gültige Papiere nichts mitnehmen, nichts herauskopieren und keine audiovisuellen Aufnahmen mehr machen, die mir zuletzt bis hierher das Material geliefert hatten aus welchem ich des Polyhistors Geschichte zusammenschrieb. Diese Arbeitsweise erlaubte mir keine zeitbedingten Pausen der Quelltextanalyse, wo er weiterkommen wollte mußte auch ich mitgehn um den Anschluß zu halten. Das blieb immerhin ein trauriges Konzept der Annäherung an seine Wissenschaft und meine Arbeitszeiten waren ganz anders gestimmte als es die Studienordnung vorschrieb. Für die Erfassung einer Seite Text (82 Zeilen, 76 Spalten) brauchte ich wohl eine ganze Woche und wenn wir vorauschauend mit 60 seiner typischen Seiten rechnen sind wir für das ganze Jahr n. gut beschäftigt. Was mir von seiner Philosophie schließlich dabei aufgehn wird liegt n. mir selbst unsichtbar verborgen vor den nachtmüden Augen irgendwo zwischen Heidelberger (1956) und Berliner (2006) Aktendeckeln für welche das Ablagesystem mit dem ich mich jetzt anfreunde gerade richtig zu entstehen scheint. Machen wir uns nichts vor, höre ich ihn sagen, reden ist Blech. Die größte Angst geht von der Verstummung in ihn über und so schweigt er lieber als verstummt zu werden. Wer redet, ist nicht tot, Benn…