Abschnitt III: Vorarbeit zum Karfreitag

Vielleicht kommen wir jetzt dochn. an d. Stunde heran wo über Golgatha die Sonne untergeht und ein paar Soldaten sitzen gelangweilt herum, die wir überwältigen können. Aber warum? Wollen wir den da runternehmen, und dann? Was wissen wir schon, das uns n. erwartet, “damit die Schrift erfüllet werde”, die es ja n. nicht gegeben hat bis in sechzig Jahren einer von uns anfing zu sprechen. Was also erhoffen wir uns davon, den jetzt abzunehmen und zu bestatten nach dem Ritual einen Stein vor die Felsenhöhle zu wälzen (warum nur?!) und die zwei Marienleben davorsetzen und halten eine Wache lang die Augen geschlossen. Die Soldaten in ihrer Peinlichkeit sagen, sie hätten ihn uns herausgegeben, weil er tot gewesen wäre nach Longinus Prüfung. Auch ein Name wird genannt, der um ihn gebeten hätte und Blut und Wasser bezeugen täte für dasselbe Silber, um das man ihn sowieso verriete. Aber warum vor der Höhle ein Stein ist… das muß seiner selbst eine Anweisung gewesen sein, der nur so sicher sein konnte, daß sein Überleben nicht bemerkt wird bis es Zeit wäre zur Auferstehung. Ostermontag ist von hier ein weiter Weg durch ein Gewirk aus Feiertagen und zweitausendjährig eingehaltenen Ritualen. Bis ich Seamus kennenlernte wußte ich keines. Erst einmal als ich bei ihm einen anderen Kalender fand und blätterte wurde mir bewußt, wie fern ich doch ihm stand und mich für einen von ihnen gerne gehalten hätte. So viel gab es zu beachten und ich konnte ja n. nicht einmal auf das Geldhaben verzichten, eigentlich das einfachste Gebot aber eines der dringlichsten wie ich bald herausfinden sollte. Also saß ich heute zum ersten mal an diesem Freitag auch ohne Gebet, mit der Denkkappe unter den Kopfhörern und der B.-da-Todi Dichtung; eine blind herausgegriffene Ironie, wie mir schien. Doch es erfüllte seinen Zweck, die mater dolorosa saß (stabat) irgendwo südlich um 30 nach seiner Geburt und: heulte. Nicht, daß es mich nicht wirklich anging. Aber es war jetzt nicht mehr meins. Ich ließ die schweren, schwarzen Prozessionen hinter mir und vergaß sie einfach. Es waren nicht mehr meine Schmerzen über den Graben und alles wären nur Gärten in unschuldiger Harmonie, wenn man nicht von Zeit zu Zeit einen Stein wegrollte: der hier bewegt sich dann. Also retten wir den Block der Ahnin und die Skulptur. Orpheus/Eurydike die er endlich anblickt, obwohl nie sieht sie bleibt sein Schattenwurf; dieser ihr Vermächtnis, das er einzulösen zurückgekehrt war und jetzt nähme er den Aufstieg an. Das gestaltet sich wie weiß der Staub, welchen ich mitbringe von der Arbeit am Stein und sei die Erste Figuration.

Hier weiß ich nicht mehr weiter. Die Möglichkeit besteht, daß durch die Verbindung im Wasser, das sie lebenlang getrunken hat und das mich jetzt aufnehmen sollte (den Stein, der mir entfiel – die Musik!), eine gemeinsame Erinnerung wachgerufen worden ist über ihre Zeit hinaus, meiner Zeit voraus, die wir nicht wissen durften, nicht beide zugleich und eines also sterben mußte von uns. Und weil ihre Geschichte jetzt erzählt ist und die Umstände nicht länger auf sich warten lassen wollen, können wir uns von ihr trennen an dieser Stelle. Sie steigt hinauf vom untersten Kabinendeck, sie steigt herauf zum Zwischendeck, steigt Treppen um Treppen höher und findet eine ruhige Stelle nach den Türen der Mannschaft. Dort steht sie im Windschatten und sieht nach hinten weg die schwere Spur des Schiffes, sieht nach unten rechts heraus die Tiefe und springt, vielleicht zu früh, vielleicht zu spät für mich. Ich sah es nicht. Nur vorher.

Deshalb saßich lange n. an meinem Fenster welches ich zum Hof geöffnet hielt. Die zum ersten Mal wirklich kalte Nachtluft war(d) herrlich vermischt mit der auf vollen Touren arbeitenden Heizung sodaßes warm war und frisch; kalt-trocken-warm hättes diese wohl genannt, Verbindung vom Feuer und der Luft, aber le Großerzähler schwieg stattdessen und ließ mich sprechen. Lange hatte ich auf diese Redeerlaubnis gewartet, jetzt war es soweit und aber alles war gestottert, das hervorbrach. Sie sagten jedoch es wäre bei allen so. Dann fing ich mich und stellte einen, den ersten vielleicht neuen Ansatz zusammen, der sich demzufolge läse:

Wenn man heute von oben auf die Schule sah wo sich unsere Geschichte zutrüge ließen sich kaum Unterschiede zu anderen aus andern Zeiten ausmachen. Auch bei unserer Anstalt fand man locker die Alten Nebengebäude um ein größeres in der Mitte gelagert, welches seinerseits sich um einen Lichthof zusammenschloß, damals den Schülern der Oberstufe vorbehalten und weil er als einziger Ort Rauchen erlaubte. Das war zwischen den Stunden und die Handlung die eine Schule vorgibt wird schwerlich davon leben, das Schuleigentliche (Unterricht) auszuklammern und zu tun als wäre die ganze Zeit von Pausen, Freistunden, Nachmittagen, Ferien und Wochenenden angefüllt gewesen, woraus sich jetzt unsre Erinnerung kaum n. das Leid zurechfindet welches die Zeit ja damals doch war, warsies? Daß die Z.-nach-dem-Abi nun mehr ist als die gesammelten Jahre macht einen n. etwas schwachen Moment erschauern der hier die Gedanken nach vorn kippt. Aber ein kurzer Rückgang auf die mir schwer und langsam vergangene Zeit, die ich als Stift unser Guten Frau von B., einer kleineren Stadt im mittleren Osten 

der demokratisch magogischen Rickepublik erlebte 

als ich jung war und unerfahren und unmächtiger Sprache

und vorlaut und in allem gewöhnlich, 

ein ganz alltäglicher Schüler und Misanthrop.

– es sagte dazu jemand, daß Arbeit an Artikeln Mitleid erregt. Seamus war immer wenn er den Meißel ansetzte sicher daß ihn niemand beobachtete. Das hat sich geändert, als er den Ort für seine Studien wechselte. Da waren plötzlich Menschen, weil ihn ein Raum umgab, der nicht nur er selbst war. Die Plastik war seine heimliche Grenze, die er angetastet h. und versagt. Es entstand wohl Staub und einiges fiel ab vom Block und jene zwei aufeinanderliegenden Gesichter kannten die Darübergegangenen. Sie haben den Platz kurz verändert wie wohl alles, was einem auf täglichen Wegen begegnete.