Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Sie tatsächlich zu finden war, als hätte man die Brücken, die einem fortwährend gebaut wurden, abgerissen, nachdem man darüber gegangen ist. Und nicht mehr zurück, nicht mehr das Nein haben können, das die Mauer gab. Aber will ich das denn, wagen? Ist nicht, mit ihnen hier gewesen zu sein und nicht das Seewasser zu trinken, das sie sich traut und ich nicht, kann das nicht ein Beweis sein? Da war doch des Säglichen Zeit, wo jetzt die Wirbel anfingen, sich zu zeigen. Ich konnte nicht anders, als dort hinschauen und etwas vermuten, das darunter n. verborgen sein mochte. Bevor ich etwas wissen wollte, war der See immer ganz glatt geworden abends und am Morgen kalt und klar. Aber jetzt trank auch ich davon und ahnte, wie er Heilung bringen konnte. Ein See, nur ein See von den tausend, doch es ist meine Seele, der See. Ich habe sie gefunden. Lange bleibe ich davor, sitze und heute ist mehr Blauem nächtlichn Wasser als gestern. Das fällt vom Himmel, der klar und voller Sehnsucht nach Sternen steht, wie nach dem Regen. Er ist verläßlich, das weiß ich jetzt. Seine Funktion ist erfüllt. Ein Rauschen fährt über das Gebiet. Die Funktion des Rauschens: Entkleidung. So habe ich meine Uhr abgelegt. Meine Sachen hängen über der Stuhllehne. Ich sitze nackt und sie kann mich nicht sehen. Aber ich weiß von der Symbiose, unserem klinischen Geheimnis. Bevor ich es kennenlernte, gab es nur immer Selbstbehauptung, die mit ihrem Mangel an Ernsthaftigkeit so gut es eben ging in mir sich widerzeugte und zeugte. Doch das war eine inzestuöse Beziehung mit der eigenen Kraft und die mußte darunter leiden, weil man nicht die Frauen anschauen kann, so gefahrlos und bar jeder Interaktion wie in jenen Situationen, ohne daß die gerade von der Gefahr der Zurückweisung erhaltene Libido Schaden nimmt. Vielleicht lebte ich eine lange Zeit sicher darüber, daß ich eben keine Zurückweisung erfuhr. Aber um welchen Preis… Später, später werde ich etwas tun wie fliegen oder schwimmen. Der Penis hängt senkrecht zum Boden herab, es gibt die Angst, daß er verletzt wird. Schlimm ist es, wenn es zum Defäzieren kommt und ich merke, daß ich nicht allein bin. Das ist der Druck der Zeit und der innere Druck, der davon abhängt, aber nachläßt umso mehr, je größer der äußere ist. In den Türen sind Menschen und drängen hinein, was ich nicht verhindern kann. Ein Junge schreit so, gottseidank, daß ich aufwachen muß. 

Ewa träumt, sehe ich, schnelle Bewegungen der Augen hinter den geschlossenen Liden etc. Ich wollte ihre Hand berühren, eine zärtliche Geste tun wie etwas normales, das ich gelernt hatte. Mich hielt ein Gedanke zurück, der mir gekommen war: Sie war nicht mehr da, wenn sie aufwachte, nicht so da, wie jetzt. Nicht mehr in ihrem kleinen Friedensreich, aber doch auch nicht in der großen, unser gemeinsamen Welt. Diese wurde langsam verbraucht und nahm den Geruch an, wie der von Kleidern ausgeht, die man Tag und Nacht getragen hat, jenen, daß man sie immer weniger verlassen möchte. Weil darunter plötzlich so viel nacktes Fleisch zum Vorschein käme, unerträglich fremd. 

Was war aber das, was sie weniger werden ließ? Ich selbst schon, oder das Außen, nur, daß wir zusammen hierhergekommen waren? Ein größeres als wir, das uns verlor? Und wir nichts als uns dazu taten, um es zu vermehren? Sie war Element geblieben, die muttergroße Erde. Allein und schwer. Ich: Kloß, sie Schooss.

– Du mußt nur lange genug hinausschauen, dann stellt sich das Sehnsuchtsgefühl von selbst ein. 

– ich habe es schon getan. ich liege doch hier unten, du siehst mich nicht mehr. kannst mich n. nicht rufen, weißt du das? und bald sind wir zu zweit und dann viele, bis von uns keiner mehr bei dir dort oben ist, siehst du das nicht? ich schon, du sollst mir vertrauen.

Ich dachte, sie will die Erde ansprechen. Da war ein Kind geboren, dem ich einen Namen geben konnte. Dahinter war nicht mehr zurückzutreten. Warum mußte ich auch die Erde ansprechen. Ihr war ein Kind geboren, dem ich meinen Namen zu geben hatte, wovor nicht mehr allein zurückzukommen war. Der Zenit des Zusammenseins unter diesem Himmel war erreicht. Ich verließ den See, sie würde bleiben, versprach sie mir. Hier ist des Säglichen Zeit: der dritte Ernting, Uurainen, Finnland im Jahre Sieben nach der Zeitenwende. Nachts brach ich auf und war mittags in Helsinki, zu Sonnenuntergang schon auf dem Schiff. Nachrichten hinterließ ich nicht, außer einem Stein, der mir aus der Hose ins Wasser gefallen war. Vielleicht blieben ein paar gedachte Linien, die meine Blicke durch den Nebel streifen ließen. Vielleicht das und ein Spiegelbild im See.